Warum fühlen sich viele Arbeiter im Baugewerbe alleine gelassen?
10.06.2015 | 14:47 | Kerstin Kellermann
Viele Arbeiter fühlen sich mit den vorherrschenden Praktiken im Baugewerbe alleine gelassen, die die SPÖ zumindest nicht verhindert.
So wie die SPÖ das formulierte, konnte nur jeder kleine Hackler dagegen sein: Die Regierung will verstärkt gegen Pfusch vorgehen. Da denkt jeder sofort an die Mini-Vergehen, die er selber ausführt, dabei geht es in Wahrheit um ganz andere Praktiken in viel größerem Ausmaß. „Jeden Tag fahren Hunderte von Lieferwägen von der Slowakei und Ungarn herein“, erzählt mein Installateur indigniert und freut sich diebisch, wenn es Kontrollen an der vorherigen Grenze gibt, wie er im Radio hört. Denn diese pendelnden Arbeiter unterbieten sein Geschäft gewaltig. Wer durch die Straßen des „wachsenden Wien“ geht, wird viele Arbeitsautos mit ausländischem Kennzeichen sehen. Diese fleißigen Hackler pendeln ein, nehmen enorme Tages- und Wochenendarbeitszeiten auf sich und erholen sich zu Hause. Sie reden nicht viel und sind billig. Jemand profitiert von diesen Manövern. In unserem Bezirk baut zum Beispiel Raiffeisen Leasing gerade ein hohes Wohnhaus mit Eigentumswohnungen. Der lange, offene Laster, der die Betonteilwände brachte, hatte ein ungarisches Kennzeichen. Diese Fertig-Wände müssen jetzt nicht unbedingt von schlechterer Qualität sein, aber garantiert ärgert sich jeder österreichische Hackler, der zufällig auf der Straße vorbeikommt. Billiger, billiger. Und wer profitiert davon?
Der große Schreihals profitiert
Die SPÖ kümmerte sich in den letzten Jahren um die „Mittelschicht“, nicht um die aufs Arbeitsamt outgesourcten Arbeiter. Die liefen vor der SPÖ davon, weil SPÖ-Politiker die entsprechenden Unternehmen nicht einschränken, ja nicht einmal etwas sagen zur laufenden Verschärfung von unternehmerischen Praktiken. Deswegen tendieren auch manche Gewerkschafter zur FPÖ. Die Arbeiter fühlen sich alleine gelassen. Keramik-Waschbecken aus Mazedonien mit Laster mit Kennzeichen aus Skopje, billige Fenster aus Tschechien – das alles könnte eigentlich gelebte Europäische Union bedeuten, drückt sich aber für viele Handwerker nur so aus, dass sie weniger verdienen bzw. ihre Produkte nicht losbringen. Große Betriebe profitieren, während kleine bankrott gehen. Kein Wunder, dass viele Arbeiter und Handwerker sauer sind und den großen Schreihals wählen.
Aber all’ die kleinen „Pfuscher“ – ob inländisch oder ausländisch – können nichts dafür, denn es geht um politische Fragen, die nur gesamtgesellschaftlich gelöst werden können. Wenn es großen Unternehmen z. B. verboten wäre, an den Wochenenden zu arbeiten (zumindest am Sonntag!) und nur Private auf ihrer Baustelle etwas tun dürften, wäre schon eine gewisse Entlastung vorhanden, denn sonst schaut der österreichische Arbeiter von seinem Schrebergarten aus zu, wie andere Hackler im Baugerüst hängen.
Der große Schreihals profitiert
Aber all’ die kleinen „Pfuscher“ – ob inländisch oder ausländisch – können nichts dafür, denn es geht um politische Fragen, die nur gesamtgesellschaftlich gelöst werden können. Wenn es großen Unternehmen z. B. verboten wäre, an den Wochenenden zu arbeiten (zumindest am Sonntag!) und nur Private auf ihrer Baustelle etwas tun dürften, wäre schon eine gewisse Entlastung vorhanden, denn sonst schaut der österreichische Arbeiter von seinem Schrebergarten aus zu, wie andere Hackler im Baugerüst hängen.
Mein Installateur hat übrigens Krebs, weil er in den 70er Jahren mit Asbeststaub arbeitete. Das Unternehmen dazu kann man nicht mehr zur Verantwortung ziehen, denn es ist schon längst pleite gegangen. Sozialminister Hundstorfer weiß genau, welche Unternehmen für welche chronischen Krankheiten verantwortlich sind, doch er setzt sie nicht unter Druck. Denn einzelne Wirtschaftsvertreter schreien lauter als die Arbeiter, die still und heimlich FPÖ wählen. Die FPÖ profitiert davon, dass sie angeblich wenig Wirtschaftskontakte besitzt.
Kommentieren Sie den Artikel
Weitere Artikel von Kerstin Kellermann
- Theaterstück zu Arbeitsmigration: „Kommen Sie zum Flug-Punkt!“
- Nachruf auf die Roma-Musikerin Eva Samer: „Schlaf meine Schwester“
- Werte-Debatte: Wie kann man Flüchtlingen die Schattenseiten Österreichs erklären?
- „Muslime können sich noch unterordnen“
- Neue Regierung: Sehnsucht nach Ex-Außenministerin Plassnik