Wie wir aus Integration Tsatsiki machen
Wenn es um kalte, südländische Vorspeisen anbelangt, wird uns wahrscheinlich der bekannte Tsatsiki als erstes in den Sinn kommen. Sie wissen ja, das mit dem Joghurt und den Gurken, was von Balkan bis nach Indien verbreitet ist.
Wie auch immer, bei uns zu Hause heißt er „cacık“, der früher in meiner Kindheit zu jedem fleischlastigen Mahl als Beilage diente. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie ich ihn öfters aus dem Glas trank – aus Protest gegen meinen Vater, weil er ihn immer stark verdünnt von meiner Mutter orderte. Es war nämlich sehr mühsam die flüssige Konsistenz auszulöffeln – bei der Suppe ging es ja noch.
Jedenfalls fand meine Mutter meine Reaktion etwas übertrieben und warnte mich jedesmal mit dem dazu passenden türkischen Spruch, ich soll aus der Sache keinen „cacık“ machen. Die Übersetzung mag mir vielleicht nicht gelungen sein, aber die Botschaft dieses Spruchs ist klar: man soll eine Sache nicht übertreiben oder verunstalten.
„Integration durch Leistung und Sprache“
Ich weiß nicht wie ich von dieser kalten Vorspeise die Überleitung zu „Integration“ tätigen soll, also gele ich meine Haare nach hinten und nehme die stupiden Sprüche her: „Integration durch Leistung“ und „Integration durch Sprache“. Wow, habe ich das gut hingebogen.
Es ist unglaublich, wie viel es in letzter Zeit für Integration getan wird und wie das in die Öffentlichkeit durchdringt. Vor 15-20 Jahren hätten meine Eltern sich das nie vorstellen können, dass der Staat einmal Wert auf die Sprache legen wird. Die Förderung für den Besuch eines Deutschkurses wurde ihnen nämlich zu ihrer Zeit von Sachbearbeitern abgelehnt, mit der Begründung, wozu sie einen Deutschkurs für die Arbeit brauchen. Sie hatten nicht ganz so unrecht. Die überteuerte Miete für die kleine Einzimmerwohnung und der niedrige Lohn zwangen meine Eltern Tag und Nacht zu arbeiten. Wann hätten sie die Zeit für Deutsch gehabt?
Nach 22 Jahren ist mein Vater zum ersten Mal arbeitslos. Nicht, weil er das Handtuch geschmissen hat, sondern sein Arbeitgeber in den Konkurs gegangen ist. Heute werden meine Eltern komisch angeschaut, wieso sie nach so vielen Jahren nur gebrochen Deutsch können. Ihnen wird vorgeworfen nicht integriert zu sein oder, dass sie integrationsunwillig sind und in Parallelgesellschaften leben oder fördern.
Über das veraltete Schulsystem, über die misslungene Wohnungs- und Zuwanderungspolitik wird hingegen selten gesprochen.
„Integration als Marketingmissbrauch“
Seit einem Jahr, mit der Gründung des Integrationsstaatsekretariats – das uns das Integrieren beibringen soll –, kann man deutlich Fortschritte in puncto Integration erkennen. Zum Beispiel wurden IntegrationsbotschafterInnen eingeführt, die in den Schulklassen Vorurteile abbauen. Und noch irgendetwas wurde umgesetzt, an das ich mich nicht mehr erinnern kann.
Auch in den Straßen und Gassen hat es optische Änderungen gegeben. Statt den „Wien darf nicht Istanbul werden“- und „Daham statt Islam“-Plakaten hängen heute bunte Werbeplakate, welche den Passanten mit Botschaften für Vielfalt und Integration anlächeln.
Auch Vereine und Migranten-Magazine haben vermehrt zugenommen, die von österreichischen Unternehmern wie Banken, Versicherungen, Bäckereien,… gesponsert werden und sich für Integration engagieren.
Es ist interessant, wie manche von ihnen ihren Mitarbeitern die Muttersprache in der Arbeit verbieten, obwohl sie auf der anderen Seite sich gerne mit ihren Logos zu den MigrantInnen posierend dazu stellen – zum Beispiel bei Sprachwettbewerben.
Noch interessanter ist es, dass diese „Integrations-Verfechter“ im Vorstand eines Vereins sitzen, der sich für Integration engagiert. Ob es hier tatsächlich um Integration oder nur noch mehr um Marketing handelt, soll jeder für sich überlegen.
Ich finde es erstaunlich, wie alles zusammenhängt und wie das Netzwerk, bestehend aus Migranten-Magazinen, Vereinen, Unternehmern und dem Integrationsstaatsekretariat, im Hintergrund agiert.
Die Kluft zwischen Missbrauch und Integration ist nun geschlossen. Wir haben erfolgreich aus der Integrationssache Tsatsiki gemacht – guten Appetit!